Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wurde das folgende Transkript redaktionell überarbeitet. Es kann daher in einzelnen Passagen leicht vom ursprünglich gesprochenen Wort abweichen.
Das gesamte Interview in deutscher Sprache finden Sie hier:
Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wurde das folgende Transkript redaktionell überarbeitet. Es kann daher in einzelnen Passagen leicht vom ursprünglich gesprochenen Wort abweichen.
Das gesamte Interview in deutscher Sprache finden Sie hier:
Paul Petzelberger (Vorstandsmitglied, Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.)
Herr Taczek, vielen, vielen Dank, dass Sie heute hier bei uns auf dem YouTube-Kanal der SdK, der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, dabei sind. Wirklich ein großes Dankeschön dafür, dass wir die Möglichkeit haben, dieses Interview direkt mit Ihnen zu führen.
Kasper Taczek (Investment Director, PPF Group)
Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein.
Paul Petzelberger:
Wir wollen natürlich über ProSiebenSat.1 sprechen, darum geht es heute, insbesondere um die Übernahmeangebote und die gesamte Situation bei ProSiebenSat.1.
Aber es geht auch darum, diese tolle Gelegenheit zu nutzen, PPF näher kennenzulernen. Sie sind Investment Director bei PPF, dem zweitgrößten Aktionär bei ProSiebenSat.1. Aktuell halten Sie 15 Prozent. Man muss sagen, für deutsche Investoren, auch ich ganz persönlich, war PPF vor diesem Zusammenhang gar kein Begriff. Ich habe PPF erst jetzt im Kontext von ProSiebenSat.1 zum ersten Mal wahrgenommen. Deshalb einleitend die Frage: Wer ist eigentlich PPF? Wer steckt hinter diesem Namen, hinter diesem Konzern?
Kasper Taczek:
PPF ist ein familiengeführtes Unternehmen. Es befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Familie Kellner. Wir sind eine diversifizierte, internationale Unternehmensgruppe mit vier Hauptinvestitionssäulen.
Erstens: Medien. In Zentraleuropa besitzen wir ein Unternehmen namens CME, das in sechs Ländern tätig ist, mit 46 Fernsehsendern und einer Reichweite von circa 49 Millionen Menschen. Zusätzlich besitzen wir Beteiligungen an ProSieben und an Viaplay in Skandinavien. Medien ist also eine unserer zentralen Investitionssäulen.
Die zweite ist Telekommunikation: Wir besitzen etwa O2 in Tschechien sowie weitere Unternehmen in der Slowakei, Serbien, Bulgarien und Ungarn. Das sind echte Telekommunikationsunternehmen – ein wesentlicher Investitionsbereich für uns.
Drittens sind wir im Finanz- und Bankensektor aktiv. Wir besitzen zwei Banken in Tschechien und halten weitere Beteiligungen im Bankenbereich. Das sind unsere drei großen Grundsäulen. Daneben investieren wir auch im Logistikbereich, beispielsweise in das Unternehmen InPost, das in Amsterdam gelistet ist, mit Schwerpunkt in Polen, aber auch in anderen westeuropäischen Ländern. Außerdem sind wir im Immobilienbereich aktiv.
Wichtig ist auch zu betonen, dass wir weder ein Private-Equity-Fonds noch ein Family Office sind, sondern ein industrieller Investor, der langfristig investiert, ohne fixen Anlagehorizont und Unternehmen dauerhaft hält, statt schnell wieder auszusteigen. Unser Sitz ist in Prag, also gar nicht so weit von München entfernt, und das Unternehmen besteht schon seit einiger Zeit.
Unser Investitionsfokus verschiebt sich zunehmend Richtung Westeuropa. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum wir in Deutschland bislang weniger bekannt waren. Aber ich bemühe mich, das zu ändern und mehr Transparenz über uns zu schaffen.
Paul Petzelberger:
Sie waren ja auch auf der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 und haben dort gesprochen. Und Sie haben recht: Prag und München sind nicht weit auseinander. Zusammengefasst: PPF ist eine große, familiengeführte, industrielle Holding. Bei ProSiebenSat.1 hält man derzeit eine Minderheitsbeteiligung. Ist das typisch für PPF oder streben Sie sonst eher Mehrheitsbeteiligungen an?
Kasper Taczek:
Grundsätzlich sind wir ein aktiver Investor. Wir haben gerne ein Mitspracherecht und unterstützen Unternehmen auf ihrem Weg, was traditionell bedeutet, dass wir häufig Mehrheitsbeteiligungen halten.
Aber man muss auch sagen: In börsennotierten Unternehmen hat man selbst mit einer Minderheitsbeteiligung Einfluss, je nach Beteiligungshöhe. So sind wir zum Beispiel bei InPost Minderheitsaktionär, aber ein relativ großer. Genauso ist es bei Viaplay in Skandinavien und eben bei ProSiebenSat.1.
Solange wir das Gefühl haben, mitreden und Einfluss nehmen zu können sowie unsere Expertise einzubringen, ist eine Mehrheitsbeteiligung nicht zwingend erforderlich. Sie haben recht: Traditionell hatten wir oft Mehrheiten, aber das hat sich in den letzten Jahren verändert, besonders bei börsennotierten Unternehmen ist das nicht notwendig.
Paul Petzelberger:
ProSiebenSat.1 ist börsennotiert, das bedeutet, Ihr Hauptansatz ist, über den Aufsichtsrat Gehör zu finden, ohne dass Sie zwingend eigene Mitarbeiter entsenden oder direkt operativ eingreifen wollen?
Kasper Taczek:
Ganz genau. Speziell bei ProSieben ist das Gremium, über das wir unsere Wünsche und unsere Expertise einbringen, der Aufsichtsrat. Dieser bespricht dann entsprechende Themen und gibt sie ggf. ans Management weiter. Wir haben keinerlei Bedürfnis, eigene Mitarbeiter zu entsenden oder operativ tätig zu werden. So agieren wir nicht.
Paul Petzelberger:
Dann kommen wir doch direkt konkret auf ProSiebenSat.1 zu sprechen. Eine superspannende Branche, die sich seit über einem Jahrzehnt in einem massiven Transformations- und Disruptionsprozess befindet. Das lineare Fernsehen verliert deutlich an Bedeutung. Ab 2020, mit der Corona-Krise, wurde der digitale Wandel noch einmal stark beschleunigt.
Ganz allgemein: Wie ist Ihr Blick auf ProSiebenSat.1 aus Sicht von PPF? Was bedeutet dieser Konzern für Sie? Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen?
Kasper Taczek:
Grundsätzlich glauben wir an das Potenzial von ProSieben, sonst hätten wir nicht unser erstes Investment dort getätigt und wären auch nicht bereit, mit unserem Angebot bis zu 300 Millionen Euro zusätzlich in das Unternehmen zu investieren. Wir glauben sehr an den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Die DACH-Region ist für uns insgesamt eine sehr wichtige Region, in der wir gerne mitwirken möchten. ProSieben ist ein traditionsreiches Unternehmen mit großer Sichtbarkeit in Deutschland. Das ist für uns eine Chance. Einerseits, weil wir in diesem Sektor viel Erfahrung haben, andererseits, weil wir uns in dieser Region einbringen möchten.
Die Transformation, die wir selbst bei CME durchlaufen haben, ein Unternehmen, das vor den gleichen Herausforderungen stand wie ProSieben, zeigt uns, dass Wandel möglich ist.
Der Rückgang des linearen Fernsehens wurde bei CME durch digitale Plattformen aufgefangen. Durch Investitionen in lokale, eigene Inhalte wurde die Attraktivität des Unternehmens gesteigert. Wir glauben, dass wir diese Erfahrungen und unsere Expertise nun bei ProSieben einbringen können. Wir sehen großes Potenzial.
Deshalb haben wir ProSieben als ein Unternehmen identifiziert, in das wir gerne investieren möchten. Wir wollen unsere Erkenntnisse und Erfahrungen aus Nachbarländern einbringen, um bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen zu unterstützen. Wir glauben, dass das Management grundsätzlich die richtige Strategie verfolgt und sie auch gut kommuniziert. Am Ende kommt es aber auf die Umsetzung an, und genau da kann der Aufsichtsrat mit der entsprechenden Unterstützung helfen.
Wir glauben, dass wir mit einem etwas größeren Anteil dem Management mehr Rückhalt geben können. Deshalb haben wir uns für diese Strategie entschieden. Wir sind überzeugt, dass wir ProSieben auf diesem Weg unterstützen können. Eben weil wir diesen Transformationsprozess selbst erlebt und erfolgreich umgesetzt haben. CME ist heute ein sehr professionelles und profitables Unternehmen.
Paul Petzelberger:
Die Situation bei ProSiebenSat.1 ist ja besonders komplex. Es gibt eine hohe Finanzverschuldung, die aus einem früheren Strategiewechsel resultiert. Vor einigen Jahren war die Ausrichtung von ProSiebenSat.1, selbst als Beteiligungsholding zu agieren. Also Beteiligungen an Start-ups zu halten, mit denen Synergien über Werbezeiten geschaffen werden sollten. Einerseits zusätzliche Werbezeiten, andererseits der Nutzen, dass diese Start-ups durch die Werbung wachsen.
Mittlerweile gab es zwar eine strategische Neuausrichtung, aber die Beteiligungen bestehen größtenteils weiterhin, ebenso wie die hohe Verschuldung.
Was sind für Sie, aus Sicht von PPF, in dieser Situation die wichtigsten Meilensteine der Restrukturierung? Wo sehen Sie zentrale Schritte, in denen ProSiebenSat.1 in den nächsten ein bis zwei Jahren Erfolge erzielen muss, um bei der Transformation voranzukommen?
Kasper Taczek:
Zum einen ist der eingeschlagene Weg richtig: sich auf das Kerngeschäft zu fokussieren und Beteiligungen, die nicht direkt damit zu tun haben, zu monetarisieren.
Allerdings haben wir hier eine andere Herangehensweise als beispielsweise ein anderer Aktionär von ProSieben.
Wir glauben: Ja, diese Beteiligungen sollten verkauft werden, aber nicht um jeden Preis. Es braucht faire Bewertungen und einen vernünftigen Zeitpunkt. Es gibt aktuell keinen derart großen Handlungsdruck, dass diese Unternehmen übereilt oder gar verschleudert werden müssten.
Natürlich sollte man sie in eine Position bringen, in der ein vernünftiger Verkauf möglich ist, um mit den Erlösen die Verschuldung zu reduzieren. Gleichzeitig ermöglicht das eine stärkere Konzentration des Managements auf das Kerngeschäft.
Das heißt: mehr Management-Kapazität und Vorstandsaufmerksamkeit für das Entertainment-Geschäft. Insbesondere auf die digitale Plattform Joyn. Ziel ist es, sie auf ein Niveau zu bringen, das die sinkenden Zahlen im linearen TV auffangen kann.
Wichtig sind dabei Investitionen in die Plattform selbst sowie in lokale Inhalte. Unsere Erfahrung zeigt, dass gerade lokale Inhalte der Schlüssel zur Abgrenzung gegenüber großen internationalen Plattformen sind. Diese investieren zwar auch gelegentlich in lokalen Content, aber wir glauben, dass ein deutsches Unternehmen am besten weiß, was lokale Zielgruppen sehen wollen. Mit der richtigen Infrastruktur kann man diesen Content dann auch erfolgreich an die Zuschauer bringen.
Die Kombination aus Investitionen in die Plattform, in lokale Inhalte und eine durchdachte Monetarisierung der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Beteiligungen sind aus unserer Sicht drei zentrale Stellschrauben, um ProSiebenSat.1 langfristig erfolgreich aufzustellen.
Paul Petzelberger:
Die große Gemeinsamkeit mit MFE, dem größten Aktionär, ist ja, wie Sie gerade betont haben: Fokus auf das Kerngeschäft, auf das Mediengeschäft, Abspaltung und Verkauf der non-core Beteiligungen, sowie Schuldenabbau.
Aber es gibt auch eine klare Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf die künftige Ausrichtung von ProSiebenSat.1. Ich zitiere aus Ihrer Pressemitteilung:
„PPF ist weiterhin davon überzeugt, dass seine Strategie für ProSiebenSat.1 als eigenständiges Unternehmen der Vision von MFE einer paneuropäischen Sendergruppe überlegen ist.“
„Paneuropäische Sendergruppe“, das ist der Ansatz von MFE. Warum stehen Sie diesem Ansatz grundsätzlich kritisch gegenüber?
Kasper Taczek:
Zum einen finde ich den Begriff „paneuropäisch“ etwas schwammig. Was soll das genau bedeuten? Wie ich eingangs sagte, operieren wir mit CME bereits in sechs benachbarten Ländern.
Wir betreiben 46 Fernsehsender in sechs europäischen Ländern. Ich habe mich tiefer mit dem Thema beschäftigt und auch mit unserem Management gesprochen. Es gibt sage und schreibe nur einen einzigen Vertrag, der über zwei Länder hinweg geht, und zwar im Einkauf.
Das heißt: Wir sehen die großen Synergien zwischen den Ländern schlichtweg nicht. Jedes Land hat sehr spezifische Eigenheiten, jede Bevölkerung eigene Präferenzen. Die einzigen beiden Bereiche, in denen wir eventuell Synergien sehen, auf sehr lange Sicht, sind:
Erstens: Wenn man in eine Plattform investiert, lässt sich diese vielleicht über mehrere Länder ausrollen.
Zweitens: Ein Unternehmen, das in mehreren Märkten aktiv ist, kann eventuell einfacher internationales Management oder Top-Talente gewinnen.
Aber über diese beiden Punkte hinaus sehen wir keinen echten Vorteil eines grenzüberschreitenden Medienverbundes. Deshalb stehen wir dem Konzept grundsätzlich kritisch gegenüber.
Wenn ich mir die Präsentationen von MFE ansehe, wie sie Synergien beschreiben, dann sind die in unseren Augen zu vage und zu wenig konkret. Ich habe mich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt, aber wir sehen diese Synergien schlicht nicht.
Deshalb sind wir keine Befürworter dieses paneuropäischen Konzepts.
Paul Petzelberger:
Das heißt, Sie sind nicht per se gegen eine europäische Vision, setzen diese mit ProSiebenSat.1 ja in gewisser Weise selbst um. Was Sie aber kritisch sehen, ist der Integrationsgedanke von MFE, bei dem Sie die Synergien nicht ausreichend definiert oder konkretisiert sehen.
Kasper Taczek:
Ja, ganz genau. Insgesamt sehen wir das Synergiepotenzial nicht. Und speziell im Fall von MFE ist die Darstellung sehr vage. Wenn man sich ihr Angebot ansieht, wird nicht deutlich, wie sie Synergien heben wollen. Um das zu tun, bräuchte es vollständige Kontrolle über das Unternehmen, etwa durch einen Beherrschungsvertrag oder einen Squeeze-out. Dazu äußern sie sich aber nicht.
Auch das Management von ProSieben hat sich in seiner begründeten Stellungnahme zu diesem Punkt geäußert. Dort wird ebenfalls nur spekuliert, was erforderlich wäre, um Synergien zu realisieren. Aus industrieller Sicht können wir mit diesem Konzept wenig anfangen. Speziell im Hinblick auf das MFE-Angebot fällt es mir schwer, zu verstehen, wie sie ohne Kontrolle echte Synergien heben wollen.
Deshalb sagen wir: Die Aktionäre sollten sich das genau ansehen, denn selbst für uns als professionelle Investoren ist das schwer verständlich.
Paul Petzelberger:
Es ist eine sehr komplexe Situation. Ich denke, wir können jetzt konkret über die aktuellen Übernahmeangebote sprechen. Sie treten sehr klar und transparent auf: Sie bieten 7 Euro in bar, eine schnelle Abwicklung, ein sehr klares Angebot. Und an dieser Stelle auch ein Lob: Sie haben bereits bewirkt, dass der Aktienkurs deutlich gestiegen ist. MFE hat nachgelegt. Das sind erst einmal grundsätzlich positive Entwicklungen im Vergleich zur vorherigen Situation, in der MFE mit einem absoluten Mindestpreis versuchte, über die 30 Prozent zu kommen und Aktien einzusammeln. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein? Ich nehme an, Sie führen derzeit viele Gespräche mit Investoren.
Das Angebot von MFE ist sehr komplex: Es besteht nur teilweise aus einer Barzahlung, ein signifikanter Anteil erfolgt über dieses Umtauschverhältnis, was nicht nur für Privatanleger, sondern auch für institutionelle Investoren abschreckend sein dürfte, oder regulatorisch gar nicht möglich ist.
Erwarten Sie dennoch, auch aufgrund Ihrer Gespräche mit Investoren, eine deutliche Annahmequote für Ihr Angebot, obwohl der Preisunterschied zu dem komplexeren MFE-Angebot groß ist?
Kasper Taczek:
Es ist natürlich sehr schwer für mich vorherzusagen, wie sich Investoren letztlich entscheiden. Aber es ist eine signifikante Entscheidung, die die Aktionäre jetzt treffen müssen. Sie sollten sich die Zeit nehmen, beide Angebote genau zu vergleichen. Wie Sie angedeutet haben, unterscheiden sich die Angebote stark.
Unser Angebot ist ein Teilangebot, mit dem wir 29,99 Prozent erreichen wollen. Wir bieten eine vollständige Barabfindung, die besonders für Aktionäre attraktiv sein dürfte, die kurzfristig aussteigen wollen. Alle regulatorischen Voraussetzungen sind bereits erfüllt, sodass die Auszahlung des Geldes Ende August erfolgen kann.
Auch für Aktionäre, die an unser Engagement glauben und uns unterstützen möchten, wäre es sinnvoll, zumindest einen Teil ihrer Aktien, beispielsweise die Hälfte, anzudienen. Den Rest können sie behalten, um an der Transformation, die wir unterstützen möchten, weiter teilzuhaben.
Im Idealfall müssten, vereinfacht gesagt, alle nicht-MFE- und nicht-PPF-Aktionäre etwa 25 Prozent ihrer Aktien andienen, damit wir die nötigen zusätzlichen 15 bis 16 Prozent erhalten, um auf 29,99 Prozent zu kommen. Natürlich leben wir nicht in einer idealen Welt, jeder muss das individuell entscheiden.
Unser Angebot ist in der Stückzahl begrenzt, das MFE-Angebot hingegen zielt auf Kontrolle ab. Deren Baranteil liegt signifikant unter unserem, und sie bieten MFE-Aktien an, die traditionell sehr illiquide waren und aktuell bereits unter Druck stehen.
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Aktien nach Ablauf der Angebotsfrist noch stärker unter Druck geraten und dass sich ein Verkauf für Anleger dann deutlich schwieriger und möglicherweise zu einem niedrigeren Kurs gestaltet.
Daher fällt es mir schwer zu sagen, wie viele Aktionäre unser Angebot annehmen werden. Unser Rat ist, sich die Angebote genau anzusehen und eine bewusste Entscheidung zu treffen. Jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem man als Aktionär aktiv entscheiden muss. Nichtstun ist keine Option. Die Angebote und die dahinterstehenden Strategien unterscheiden sich deutlich. Paneuropäisch versus dem eigenständigen digitalen Unternehmen ProSiebenSat.1.
Wir glauben, unsere Strategie ist wirkungsvoller und attraktiver. Letztlich liegt die Entscheidung aber bei den Aktionären. Darauf haben wir keinen Einfluss. Aus meiner Vergangenheit als Banker weiß ich jedoch: In öffentlichen Angeboten braucht es Geduld, man muss wirklich bis zum allerletzten Moment warten, um zu sehen, wie die Aktionäre sich entschieden haben.
Die Aktionäre sollten sich also intensiv mit der Frage befassen, welches Angebot ihnen mehr zusagt. Und wie attraktiv das Angebot von MFE tatsächlich ist.
Paul Petzelberger:
Wenn ich Ihre Sicht zusammenfassen darf, würden Sie an die Aktionäre appellieren, die Unterschiede in der Ausgestaltung der Übernahmeangebote genau zu berücksichtigen. Bei MFE stellt sich die zentrale Frage: Will ich überhaupt MFE-Aktien halten? Möchte ich umgetauscht werden? Bin ich mit einer geringen Bar-Komponente zufrieden?
Gleichzeitig geht es auch um die Zukunft von ProSiebenSat.1, um Kontrolle.
Es geht um die strategische Ausrichtung und darum, ob das Unternehmen eigenständig weitergeführt werden kann.
Sie verfolgen dabei auch das Ziel, über den Aufsichtsrat ein Gegengewicht zu MFE zu bilden und dem Management den nötigen Spielraum für eine unabhängige Weiterentwicklung zu geben.
Kasper Taczek:
Richtig. Wir waren von Anfang an sehr transparent: In dem, was wir erreichen wollen, was wir bieten und wofür wir stehen. Daran haben wir bis heute nichts geändert.
Unser Ziel ist es, im Interesse aller Aktionärinnen und Aktionäre zu handeln. Sie haben es eingangs erwähnt, dass das verbesserte Angebot von MFE sicherlich auch eine Reaktion auf unser Engagement war. Das zeigt, dass wir in die richtige Richtung arbeiten, um die Interessen aller Aktionäre zu wahren.
Natürlich unterscheiden sich unsere strategischen Ansätze von denen von MFE. Wir streben keine Kontrolle an. Wir sind überzeugt, dass wir auch mit 29,99 Prozent effektiv mitgestalten können.
Und ich denke, es ist wichtig, noch einmal zu betonen, dass unser Engagement bereits zu einem signifikant besseren Angebot geführt hat. Das sollte man nicht unterschätzen. Denn das erste Angebot von MFE spiegelte den wahren Wert von ProSiebenSat.1 in keiner Weise wider – das war völlig unzureichend.
Paul Petzelberger:
Dem können wir uns als SdK nur anschließen. Wir haben das ursprüngliche Angebot von MFE sehr kritisch gesehen, es bestand die berechtigte Sorge, dass MFE seine Kontrolle weiter ausbaut, ohne den Aktionären einen fairen Preis zu zahlen. Deshalb ist der aktuelle Stand mit einem deutlich höheren Kurs und dem von Ihnen angestrebten Engagement ein bedeutender Fortschritt.
Wenn ich jetzt noch einmal etwas zugespitzt fragen darf, auch wenn es hypothetisch ist: Angenommen, am Ende der Angebotsfrist wurde nur sehr wenig auf Ihr Angebot angedient, während MFE substanziell weiter Kontrolle aufbauen konnte.
Würde das Ihr Engagement bei ProSiebenSat.1 grundsätzlich infrage stellen? Oder sagen Sie: Auch mit 15 oder 16 Prozent bleiben wir langfristig investiert und begleiten die Strategie des Managements weiter?
Kasper Taczek:
Ich verstehe Ihre Frage. Es ist sehr schwierig, das jetzt zu beantworten. Momentan liegt unser voller Fokus auf unserem Angebot. Wir müssen Geduld haben und abwarten, wie sich die Aktionäre entscheiden.
Sobald wir Klarheit über die Entscheidung der Aktionäre haben, können wir über die nächsten Schritte sprechen. Aber derzeit ist es schlicht zu früh, darüber zu spekulieren. Wir stehen zu unserem Angebot, alles Weitere wird sich danach zeigen.
Paul Petzelberger:
Eine superspannende Situation. Ich persönlich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass bei Ihnen auch nennenswert angedient wird, während MFE aufgrund der Komplexität seines Angebots, insbesondere für institutionelle Investoren, eher abschreckend wirkt. Natürlich kann ich mich auch täuschen, aber ich denke, viele Investoren haben Schwierigkeiten mit dieser Umtauschvariante oder sind aufgrund regulatorischer Vorgaben überhaupt nicht in der Lage, sie anzunehmen. Aber Sie haben völlig recht: Wir müssen abwarten.
Abschließend noch einmal zur operativen Seite und zurück zu Joyn.
Joyn ist das Herzstück der Strategie von ProSiebenSat.1. Ich habe auf der Hauptversammlung ein paar kritische Fragen gestellt: Wie will man sich langfristig behaupten, gegen große Streaming-Player wie Netflix, Amazon Prime oder Disney?
Wie ist Ihre Sicht auf Joyn? Kann ProSiebenSat.1 die Plattform aus eigener Kraft weiterentwickeln, oder rechnen Sie damit, dass in den nächsten Jahren auch Kapitalerhöhungen notwendig sein könnten? Wie beurteilen Sie die Wettbewerbsfähigkeit von Joyn auf mittlere und lange Sicht?
Kasper Taczek:
Natürlich kann ich hier nicht alle Details verraten, wie wir das genau umsetzen würden. Aber ich gebe Ihnen recht: Joyn ist das Herzstück.
Zum einen muss in die Plattform selbst investiert werden, zum anderen, wie bereits gesagt, in lokale Inhalte. Das ist es, was Zuschauer wirklich schätzen: gute, lokale Inhalte. Alles steht und fällt mit gutem Content. Wir haben diese Erfahrungen auch in unseren Märkten gemacht.
Und wir erwarten von einem Unternehmen wie ProSiebenSat.1, dass es sehr genau selektiert, welche lokalen Inhalte für das Publikum relevant sind und dann auch gezielt in diese investiert. Gerade nicht der Versuch, mit internationalen Inhalten gegen die großen globalen Player zu konkurrieren.
Darüber hinaus muss in die Plattform selbst investiert werden, in Benutzerfreundlichkeit, Features, technologische Weiterentwicklung. Ich denke, allein mit diesen beiden Schwerpunkten kann man sehr weit kommen. Hier gibt es noch einiges zu tun, und wir würden uns sehr freuen, unsere Erfahrungen und konkreten Datenpunkte aus anderen Märkten einzubringen.
Wir sind überzeugt, dass man mit Fokus auf genau diese zwei Aspekte, Inhalte und Plattform, langfristig wettbewerbsfähig bleibt. In unseren Märkten sehen wir das konkret:
Unsere Plattform Voyo, die sich inzwischen Oneplay nennt, ist zum Beispiel in Tschechien etwa zwei- bis dreimal größer als Netflix.
Das zeigt: Wir sind dort signifikant stärker als internationale Anbieter. Und ich glaube, das liegt nicht nur an der Plattformqualität, sondern vor allem an der Qualität der lokalen Inhalte. Genau diesen Weg wollen wir auch bei ProSiebenSat.1 unterstützen. Denn nur so lässt sich der Rückgang im linearen TV auffangen und umkehren.
Paul Petzelberger:
Ich denke, das ist auch ein wichtiger Punkt für alle Aktionäre, die sich bewusst gegen das MFE-Angebot entscheiden und den Weg mit ProSiebenSat.1 weitergehen wollen. Es ist gut zu hören, dass es PPF eben nicht nur um Restrukturierung geht. Die Restrukturierung ist zweifellos wichtig, um den Weg freizumachen, aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie das Unternehmen langfristig begleiten und insbesondere die Entwicklung von Joyn aktiv mitverfolgen und unterstützen.
Kasper Taczek:
Genau. Deshalb sprechen wir intern auch nicht von „Restrukturierung“, sondern bewusst von „Transformation“. Ich weiß, das mag wie Haarspalterei klingen, aber für uns ist es ein wichtiger Unterschied.
Paul Petzelberger:
Das bringt es gut auf den Punkt: große Chancen, aber eben auch Risiken, beispielsweise durch die hohe Verschuldung. Es gibt wichtige Schritte, die gegangen werden müssen. Aber Sie haben recht: Die Chancen sind real. Und Joyn spielt dabei eine zentrale Rolle.
Kasper Taczek:
Und weil wir typischerweise einen langfristigen Anlagehorizont haben, bringen wir auch den entsprechenden langen Atem mit. Natürlich müssen auch die Aktionäre für sich entscheiden, wie lang ihr Anlagehorizont ist und wie hoch ihre Risikobereitschaft.
Aber unabhängig davon gilt: Wenn Sie möchten, dass wir in die Position kommen, uns wirklich einbringen zu können, dann müssen Sie zumindest einen signifikanten Teil Ihrer Aktien an uns andienen. Andernfalls erhalten wir diese Möglichkeit nicht.
Paul Petzelberger:
Ich glaube, damit haben wir viele zentrale Themen angesprochen. Ganz wichtig ist mir, und auch für Herrn Taczek, noch einmal zu betonen: Das ist natürlich keine Anlageempfehlung oder -beratung. Unsere Mitglieder und Zuschauer auf YouTube wissen das, aber es gehört der Vollständigkeit halber dazu. Wir haben unsere Sichtweise dargelegt, ebenso die Sichtweise von Herrn Taczek und PPF. Wie sich die Aktionäre am Ende entscheiden, weiß niemand. Dieses Gespräch soll eine zusätzliche Informationsquelle sein, unter vielen anderen, die dabei helfen kann, sich eine fundierte Meinung zu bilden.